Debatten respektvoll führen (27.09.2025)
WN-Interview mit Ratsfrau Dr. Andrea Quadt-Hallmann
Von Ludger Warnke
NOTTULN. Debatten gehören zur Demokratie dazu. Sie in den Sozialen Medien zu führen, ist aber vielfach nicht einfach. „In Sozialen Medien ist es oft schwer, festgefahrene Meinungen zu durchbrechen“, sagt Dr. Andrea Quadt-Hallmann. Die 60-jährige Agrarwissenschaftlerin, verheiratet und Mutter zweier erwachsener Kinder, engagiert sich seit gut fünf Jahren als CDU-Ratsmitglied ehrenamtlich in der Nottulner Kommunalpolitik. Aktuell sticht sie bei Facebook hervor, weil sie sich dort der Diskussion über den Bau neuer Windenergieanlagen stellt. Die Redaktion sprach mit der Nottulnerin über ihre Erfahrungen mit der politischen Debatte in der Online-Welt.
Frau Quadt-Hallmann, warum beteiligen Sie sich in den Sozialen Medien an den Debatten über den Bau neuer Windenergieanlagen in Nottuln?
Andrea Quadt-Hallmann: Man muss leider immer wieder feststellen, dass trotz der heute vorhandenen vielfältigsten Möglichkeiten, sich informieren zu können, viele Menschen nicht die richtigen Informationen haben. Oft werden dann nur „alternative Wahrheiten“ veröffentlicht und die kann ich einfach nicht so stehenlassen. Außerdem sehe ich unsere Demokratie in Gefahr, wenn die Menschen das Gefühl haben, dass sich Politiker nicht für ihre Anliegen interessieren oder nicht zu einem persönlichen Austausch bereit sind. Sie verlieren dann das Vertrauen, wenden sich ab und wählen gar nicht mehr oder extreme Parteien.
Die aktuelle Windkraftdebatte in den Sozialen Medien wird sehr kontrovers, sehr kompromisslos und sehr emotional geführt. Wie stehen Sie dazu?
Quadt-Hallmann: Hier treffen verhärtete Fronten aufeinander: Auf der einen Seite, die Menschen, die sich schon seit vielen Jahren für eine Energiewende einsetzen, auf der anderen Seite die absoluten Windkraftgegner. Dann gibt es in den Sozialen Medien auch noch die Menschen, die immer zu allem etwas zu sagen haben – in der Regel etwas „dagegen“. Dazwischen stehen die direkt betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner. Für sie gilt besonders: Zuhören, Transparenz und konkrete Lösungen. Sie sehe ich als meine Zielgruppe. Ich kann verstehen, dass die Gegner aufgebracht sind, und da wird man schnell emotional. Als Politikerin muss man aber das Gemeinwohl im Auge haben und unter Abwägung der verschiedenen Interessen Entscheidungen treffen.
Einige Diskussionsteilnehmer behaupten sinngemäß, Ratsmitglieder hätten aufgrund persönlicher wirtschaftlicher Interessen die Entscheidungen so getroffen, dass mehr Windenergieanlagen gebaut werden können. Was sagen Sie diesen Menschen?
Quadt-Hallmann: Da kann ich nur vehement widersprechen. Aus dem aktuellen Rat hat definitiv niemand die Entscheidung aufgrund persönlicher wirtschaftlicher Interessen so getroffen. In der CDU-Fraktion gab es lange und kontroverse Diskussionen zur Aufhebung des Flächennutzungsplans, aber die Mehrheit sah es dann doch als gesamtgesellschaftliche Aufgabe an, dass unsere Kommune ihren Beitrag zur Energiewende, zum Klimaschutz und zur Erzeugung klimafreundlicher Energie leistet – und hier ist die Windkraft unseres Erachtens derzeit einfach die leistungsstärkste und wichtigste Alternative.
Haben Sie den Eindruck, dass Sie mit Ihren Informationen und Argumenten zu den Menschen durchdringen?
Quadt-Hallmann: Ja, ich habe den Eindruck, dass es bisweilen gelingt, mit klaren Informationen Verständnis zu fördern. Doch in Sozialen Medien ist es oft schwer, festgefahrene Meinungen zu durchbrechen. Persönliche Gespräche führen meist zu deutlich zielführenderen Ergebnissen und mehr Verständnis.
Wenn Ihnen beziehungsweise dem Rat insgesamt unlautere Motive unterstellt werden, verliert man da seine Motivation und fragt sich: Warum tue ich mir das überhaupt an?
Quadt-Hallmann: Die Unterstellung unlauterer Motive taucht ja nur recht selten auf. Einen negativen Einfluss auf die Motivation hat eher die Tatsache, dass viele Menschen sich nur engagieren, wenn sie gegen etwas sind oder etwas vor der eigenen Haustür passiert. Dann wird Transparenz eingefordert. Besonders frustrierend ist dabei, dass die Transparenz eigentlich immer gegeben ist – alle Beratungen und Entscheidungen sind öffentlich, man kann jederzeit teilnehmen, zuhören oder es später in den Protokollen nachlesen. Die Gemeinde und die Parteien veröffentlichen auf ihren Webseiten auch ganz viele Informationen oder bieten Gesprächstermine an. Jeder hat die Möglichkeit, sich all der vielen Informationen zu bedienen; man muss es nur auch tun und selbst aktiv werden. Das Verbreiten von „alternativen Wahrheiten“ oder der persönliche Angriff – sei es in den Sozialen Netzwerken oder in Leserbriefen – können manchmal ganz schön anstrengend sein. Ich bin aber nach wie vor davon überzeugt, dass die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger mit der Arbeit der Kommunalpolitik recht zufrieden ist.
Wer die Sozialen Medien verfolgt, gewinnt den Eindruck, dass Sie sich weitgehend allein der Debatte stellen. Haben die anderen Ratsmitglieder keinen Mumm?
Quadt-Hallmann: Nein, das sehe ich nicht so. Alle Ratsmitglieder stellen sich der Debatte und nehmen das Thema Windkraft sehr ernst, aber nicht alle sind in den Sozialen Medien aktiv. Ich denke, die Gründe dafür sind recht vielfältig: Fehlende Zeit, andere Austauschmöglichkeiten erscheinen wichtiger oder die Einschätzung, dass sich die Diskussion dort nicht lohnt. Alle Ratsmitglieder engagieren sich ehrenamtlich und haben neben der Politik Privatleben und Beruf, daher ist die verfügbare Zeit unterschiedlich. Persönlich kann ich sagen, dass ich mir Zeit nehme, um konstruktiv zu kommunizieren, unabhängig von der Plattform.
Auch künftig wird es Ratsentscheidungen geben, mit denen nicht alle einverstanden sind. Was wünschen Sie sich für kommende Diskussionen?
Quadt-Hallmann: Mein Wunsch für kommende Diskussionen: Bürgerinnen und Bürger sollten sich zunächst entsprechend bei Kandidaten, Fraktionen, Verwaltung oder Bürgermeister informieren, um dann faktenbasiert Meinungen zu bilden und in den Austausch zu treten. Demokratie aktiv leben bedeutet für mich, kontinuierlich informiert zu bleiben und sich bei Bürgerbeteiligungen einzubringen. Debatten sollten respektvoll geführt, persönliche Angriffe vermieden und die ehrenamtliche Arbeit anerkannt und wertgeschätzt werden, um so auch zukünftig Menschen für die Ratsarbeit zu gewinnen.
Historisch alle Artikel finden Sie unter dem Archiv-Reiter